Wohnen

Ein Wiedersehen in den Wohntürmen

Im Dezember fand inmitten der vier großen Studierendenwohntürme ein außergewöhnliches Ereignis statt: Anette und Ernst, zwei ehemalige Bewohner, kehrten anlässlich ihrer Goldhochzeit zu dem Ort zurück, wo vor über 54 Jahren ihre gemeinsame Geschichte begann. Für beide war es eine riesige Überraschung: In geheimer Mission hatten ihre drei Töchter eine nostalgische Zeitreise nach Aachen organisiert, die nicht nur das Jubelpaar, sondern auch ihre alten Freunde zurück in die Vergangenheit führen sollte.

Die Geschichte von Ernst und Anette begann in den 1970er-Jahren. Anette, damals Biologie- und Romanistik-Studentin, lebte schon länger in den Türmen und war eine der ersten wenigen Frauen, die in den bis dahin ausschließlich von Männern bewohnten Türmen leben durften.

Unter all den „Turmherren“ fand Anette den einzig wahren im Jahr 1970 auf einer Geburtstagsfeier in einer der Kellerbars. Der angehende Bauingenieur Ernst war gerade in das Otto-Petersen-Haus eingezogen, während Anette im Walter-Eilender-Haus im damaligen „Damengeschoss“ lebte. Nur wenig später erfolgte der erste Kuss auf dem Lousberg – ab da nahm das gemeinsame Leben seinen Lauf: Einige Jahre lang pendelten die beiden zwischen den benachbarten Türmen hin und her und genossen ihr gemeinsames Studentenleben. 1974 gaben sie sich im Aachener Standesamt schließlich das Ja-Wort, zogen weg aus Aachen und bekamen ihre Töchter, die teilweise heute wieder im Dreiländereck wohnen.

Wiedersehen in den Türmen
Anlässlich ihres Jubiläums waren die engsten Freunde von früher angereist – die Trauzeugen Wim und Ulla sowie die damalige „Verkupplerin“ Marie-Luise. Alle drei hatten einst als Studierende in den Türmen gelebt. Als die Anfrage der Töchter kam, ob sie als Überraschungsgäste gemeinsam mit den Jubilaren in Erinnerungen schwelgen wollten, waren sie sofort dabei. Der heimliche Wunsch von Ernst und Anette sollte somit in Erfüllung gehen: Ein Wiedersehen an dem Ort, wo alles begann und der so viele prägende Erlebnisse bot.

Die kleine Festgesellschaft genoss besonders den atemberaubenden Ausblick über Aachen von den ehemaligen Zimmern. Begleitet wurde sie von einigen der heutigen Bewohner, die sich interessiert die Geschichten über das Leben von damals anhörten. Mit einer Sammlung alter Fotos in der Hand führte das Ehepaar ihre Gäste durch ihre Studienzeit, und auch wenn ihre alten „Buden“ teilweise zusammengelegt und umgebaut worden sind, erinnerten alte Relikte wie Wandschränke und Regalreste an vergangene Zeiten. „Hier war mein Lernplatz“, so Ernst in seinem früheren, auch noch heute nur 12-Quadratmeter großen Zimmer. Damals rauchte dort vor lauter Lernen sein Kopf, aber auch Feiern war ein großes Thema: „Mit einem Dutzend Studierender haben wir hier auf der Bude Party gemacht haben. Das waren noch Zeiten!“


Ungebetene Gäste aus dem Villenviertel
Anette, die nach dem Studium Lehrerin wurde, erinnert sich immer wieder gern an die romantischen Gesten ihres Mannes während ihrer Zeit in der Rütscher Straße. So hatten Ernst und sein Freund Wim einst große Sträuße aus einer blühenden Rotdornhecke in der benachbarten Nizzaallee gepflückt. Spät abends klopften sie an die Zimmertüren ihrer Freundinnen, um ihnen diese unerwarteten Geschenke zu überreichen. Die Freude war riesig – bis die jungen Frauen am nächsten Morgen entsetzt die mitgebrachten Gäste registrierten. „Die Sträuße waren voller Blattläuse!“, so Anette, die heute mit ihrer Freundin Ulla herzlich darüber lachen kann.

Die finanziellen Herausforderungen waren damals ganz anders. Auch wenn die Miete in den Türmen nur 80 DM betrug, waren die Studierenden finanziell nicht auf Rosen gebettet. Wenn Ernst seine Anette beispielsweise zum Essen einladen wollte, hatte er vorher Reifen gerollt, um sich etwas dazuzuverdienen. „Das war harte Knochenarbeit“, schmunzelt er.

Sektempfang mit „Peggy Sue“
Highlight war der abschließende Besuch der Motorbar, wo man zur Feier des Tages ein paar Sektkorken knallen ließ. Im „Waggon“ der Bar wurde das berühmte Pärchen-Foto nachgestellt. Als die Studierenden dann noch „Peggy Sue“ von Buddy Holly durch die legendäre Kellerbar schallen ließen, schien die Zeit fast stehengeblieben zu sein. Inmitten dieser rührenden Erinnerungen wurde allen noch einmal bewusst, wie sehr die gemeinsamen Erlebnisse und der Humor der Vergangenheit das Fundament ihrer langjährigen Beziehungen geprägt haben. Es war nicht nur ein Rückblick auf vergangene Zeiten, sondern auch eine Feier der Liebe und Freundschaft, die – genau wie die vier alten Türme – all die Jahre überdauert hat. 

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